09.01.2009 08:05 (Kommentare: 0)
Betr.: Auswirkungen der Schulgesetznovelle auf unsere integrative Grundschule
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Sellering,
wir vertreten als Schulelternrat die Martin-Andersen-Nexö-Grundschule in Greifswald.
Unsere Grundschule ist eine staatliche integrative Schule und umfasst als solche nicht nur integrative Regelklassen, sondern auch Sprachheilklassen, Diagnoseförderklassen sowie Klassen mit verhaltensauffälligen Kindern.
Insgesamt besuchen derzeit 334 Schülerinnen und Schüler die Nexö-Grundschule.
Während die integrativen Regelklassen im Schnitt 23 Schülerinnen und Schüler besuchen, sind es bei den Sprachheilklassen nur durchschnittlich 10, in den DFK-Klassen 12 sowie den VE-Klassen 11 Kinder.
Mit Sorge vernehmen wir Eltern, dass es mit der geplanten Schulgesetznovelle Veränderungen in der Stundenzuweisung für alle Schulen geben soll – unabhängig von ihrem Profil.
Von der geplanten Neuregelung werden große Klassen profitieren, kleine Klassen jedoch ernsthafte Schwierigkeiten bekommen. Dazu gehören auch unsere oben genannten Förderklassen.
Für die Sprachheilklassen oder VE-Klassen etwa, die oft auch unter 10 Schülerinnen und Schüler umfassen, kann nach den geplanten Stundenzuweisungen nicht einmal mehr der Grundbedarf an Unterricht in den Klassen 2 – 4 gedeckt werden!
Für die DFK-Klassen wird die sonderpädagogische Förderung in die Finanzierungspläne eingerechnet, ohne zu berücksichtigen, dass diese Stunden immer von Lehrern der Allgemeinen Förderschule gegeben und damit nie durch die Grundschule beeinflussbar sind.
Selbst für Integrativ(GU)-kinder in den Regelklassen bringt die schülerbezogene Stundenzuweisungen nur Nachteile. Denn hier ist unabhängig vom Förderbedarf nur je 1 Förderstunde pro Kind geplant. Bislang orientierte sich die Anzahl der Förderstunden sinnvoller Weise am tatsächlichen Förderbedarf des GU-Kindes.
Wir fragen Sie daher, ob diese geplante Neuregelung den Zielen des neuen Schulgesetzes entspricht?
Dort ist an mehreren Stellen von einer Förderung der Schüler die Rede, die auf der Grundlage individueller Förderpläne geschehen soll. Das ist ein Ziel, das wir Eltern jederzeit unterstützen werden.
Doch wie soll es umgesetzt werden, wenn gleichzeitig durch die schülerbezogene Stundenzuweisung Förderstunden gekürzt werden und in Grundschulen wie der unseren noch nicht einmal mehr der Grundbedarf an Unterricht gedeckt werden kann!?
Wir fragen weiter: Ist es tatsächlich Ziel der Schulgesetznovelle, Klassen mit großer Klassenstärke unbesehen ihrer Schülerzusammensetzung zu fördern?
Hat sich eine Schulpolitik, die auf möglichst große Klassenverbände hinzielt, nicht längst überlebt?
Außerdem fragen wir Sie, warum die Empfehlungen der Expertenkommission nur in so geringem Umfang in die Schulgesetznovelle eingeflossen sind.
Diese Kommission hat 2 Jahre lang im Auftrag des Landtags wertvolle Arbeit geleistet und einen sehr umfassenden Bericht vorgelegt.
Warum wird dieser Bericht von den eigenen Auftraggebern so gering geschätzt? Uns interessiert dabei besonders, wie mit den Empfehlungen unter 5.13 „Sonderpädagogische Förderung“ verfahren wird. Wird es die Umstellung der sonderpädagogischen Finanzierung, wie unter 5.13.3 formuliert, geben?
Wir hoffen, Sie können uns als Eltern von Kindern, die an einer staatlichen integrativen Grundschule unterrichtet werden, positive Antworten auf unsere Fragen geben.
Denn ich denke, Sie werden der Ansicht zustimmen, dass es schlichtweg Flickwerk wäre, zwar die Integration von Kindern mit Förderbedarf in Regelklassen zu fordern, aber nicht die entsprechenden finanziellen und vor allem personellen Mittel zur Verfügung zu stellen.
Wir fordern Sie als Ministerpräsident des Bildungslandes Mecklenburg-Vorpommern auf, Ihrer Verantwortung gegenüber den Schwächsten in unserer Gesellschaft, den Kindern, gerecht zu werden!
Dies geht nicht, indem man alle Schulen „über einen Kamm schert“. Es ist wichtig für die Chancengleichheit aller Kinder spezielle Fälle besonders zu beachten und gegebenenfalls spezielle Regularien aufzustellen!
Wir haben Ihnen mit diesem Schreiben diverse Fragen gestellt und erhoffen uns darauf noch vor der Entscheidung über die Schulgesetznovelle eine Antwort.
Mit bestem Dank und freundlichen Grüßen
Ihre
Babett Bohm (Vorsitzende des Schulelternrates)
Dr. Frauke Fassbinder (Mitglied des Schulelternrates)
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